Warum es in Unternehmen auch Raum für individuellen Purpose braucht

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Johanna Spatz arbeitet bei Beiersdorf in der globalen Talent- und Organisationsentwicklung. Im Zuge des Purpose Launch von Beiersdorf hat sie ein Format kreiert, anhand dessen Mitarbeiter ihren individuellen Purpose explorieren und mit dem Beiersdorf Purpose in Verbindung bringen können. Als Psychologin begeistert sie sich für die Möglichkeiten, welche New Work für die Gestaltung von Arbeit bietet und die Frage, welche Rolle HR darin spielen kann.

Was ist das Besondere an dem Thema Purpose und warum ist das in einem Kontext von New Work wichtig?  

Bei New Work geht es nicht nur um Tools oder eine neue Arbeitsumgebung. Es geht um ein neues Mindset: Ich trage Verantwortung für meine Aufgabe und kann viel mehr selbst bestimmen. Damit einher geht auch, dass ich mich stärker mit der Frage auseinandersetze: “Warum mache ich eigentlich das, was ich mache? Was motiviert mich daran?”. In diesem Mindset spielt der Purpose eine große Rolle, ebenso wie für das Thema New Performance:  Es ist eine extrem starke Motivation, wenn ich weiß, warum ich das tue, was ich tue. Das ist ein starker Anker beim selbstorganisierten und selbstbestimmten Arbeiten. 

 

Ist es aus Deiner Sicht zunächst wichtig, den eigenen Purpose zu kennen? Wie steht es um den Purpose eines Teams oder Unternehmens? 

Idealerweise gibt es eine große Überschneidungsfläche zwischen den drei Themen: individueller Purpose, Teampurpose und Organisationspurpose. Als Individuum geht es natürlich mit dem eigenen Purpose los. Das, was einem selbst am nächsten ist, hat die stärkste Zugkraft. Wenn der eigene Purpose sich in dem des Teams und des Unternehmens wiederfindet, stellt das eine emotionale Verbindung her. Es bringt nichts, wenn ein Unternehmen einen Purpose definiert hat, mit welchem sich die Mitarbeiter*innen nicht identifizieren können. Daher ist es wichtig, diese Überschneidungsflächen herauszuarbeiten.

Meinst Du, jede*r muss sich eigenständig mit dem persönlichen Purpose beschäftigen?  Oder entsteht mit der New Work-Bewegung die Möglichkeit, dass Unternehmen ihren Mitarbeiter*innen den Raum geben, ihren eigenen Purpose zu entdecken?  

Das kann von beiden Seiten aus starten, fest steht: Die Mitarbeiter*innen suchen nach dem eigenen Beitrag zum großen Ganzen. Bei uns im Unternehmen passiert momentan viel: Wir als Unternehmen haben zum einen unseren Unternehmens-Purpose herausgearbeitet und zum anderen mit unseren Purpose Circles ein Format entwickelt, in dem sich Mitarbeiter*innen fragen können: Was bedeutet das für mich? Was ist eigentlich mein eigener Purpose? Wir geben Raum dafür, sich auch dem individuellen Purpose zu widmen. Ich finde das total wichtig. Es stellt sicher, dass der Unternehmenspurpose am Ende auch gelebt wird.  

Kann genau das auch zu einem unternehmerischen Risiko werden? Wenn Mitarbeiter*innen durch den eigenen Purpose herausfinden, dass sie etwas anderes wollen? 

Das ist eine spannende Frage, denn andere Unternehmen kommunizieren das proaktiv nach dem Motto: „Wenn ihr feststellt, dass es für euch hier nicht mehr passt, seid ihr frei zu gehen“. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden – und es auch nicht als Risiko gesehen. Wir sehen viel eher den Vorteil darin, dass die Leute sich in dem Beiersdorf Purpose wirklich verankert sehen und sich stärker mit dem identifizieren können, was das Unternehmen macht.

Bei Beiersdorf hast Du den Purpose Circle entwickelt. Ein Format, in dem sich die Mitarbeiter*innen eigenverantwortlich in Peer-Groups mit ihrem persönlichen Purpose und dem Beiersdorf-Purpose auseinandersetzen konnten.  Was waren entscheidende Punkte in der Entwicklung dieses Formats?

Erst mal ist wichtig, nicht gleich zu groß zu starten. Das Wort Purpose ist ein großes Wort. Daher haben wir im Team in der Entwicklung des Formats darauf geachtet, die Schritte für die Teilnehmer klein genug zu setzen. Durch Selbstreflektion, unterstützt durch kleine Tests, wird eine Gesprächsbasis geschaffen. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Entwicklung war uns auch, dass das Programm nicht alleine durchlaufen wird, sondern mit anderen Kolleg*innen zusammen. Ein sehr entscheidender Aspekt in dem Format ist natürlich die Frage: Wie hängt mein eigener Purpose mit dem Beiersdorf Purpose zusammen und was bedeutet das für meine Arbeit? Die Idee des Circles ist es, dass die Mitarbeiter*innen die Chance haben, genau diese Fragen zu klären und auch zu schauen: Was möchte ich anders angehen? Das bedeutet nicht unbedingt, eine andere Aufgabe zu machen, sondern vielleicht einen anderen Sinn hinter seiner Arbeit zu sehen. Abschließend war uns bei der Entwicklung des Formats wichtig, die Reflektion zur Integration in den Arbeitsalltag anzuregen. Der Beiersdorf Purpose beginnt zu leben, wenn die Leute ihn in ihrem Arbeitsalltag umsetzen.  

Wie war die Resonanz der Mitarbeiter*innen, auch ihren persönlichen Purpose zu entdecken? 

Zum einen sind die Mitarbeiter*innen total dankbar und können es zum Teil gar nicht glauben, dass wir ihnen die Zeit einräumen, sich damit zu beschäftigen. Viele geben eine positive Rückmeldung.  Auf der anderen Seite kommunizieren wir das momentan als freies Angebot. Entsprechend gibt es Mitarbeiter*innen, die das Thema zwar schön finden, aber keine Zeit dafür haben. Es gibt Unternehmen, die das anders angehen, aber für uns war es eine bewusste Entscheidung. Der eigene Purpose ist etwas Persönliches. Daher entscheidet jede*r selbst, ob ein Austausch mit Kolleg*innen stattfinden soll.  

Hast Du einen Einfluss dadurch bemerkt, wie Führungskräfte auf das Thema blicken?  

Ich denke, dass Führungskräfte eine starke Vorbildfunktion haben. Ich habe mehrere Pilotsessions durchgeführt und in einem der Circle ist eine Führungskraft aus dem höheren Management dabei gewesen – bei jedem Termin. Eine extrem starke Message, die dem Thema Wichtigkeit beigemessen hat. 

 

War es dann auch eine Funktion der Circles, den Beiersdorf Purpose zu kommunizieren und für alle Mitarbeiter*innen greifbar zu machen? 

Die Circles sind kein Instrument, um den Purpose an sich zu kommunizieren. Die Einführung des Beiersdorf-Purpose hat davor stattgefunden und wurde durch konkrete Handlungen untermauert, wie unser 50 Millionen Hilfspaket im Covid-19 Kontext und einem freien Tag für alle Mitarbeitenden am Jahresende. Die Circles fördern danach das individuelle Interpretieren. Von außen etwas gesagt zu bekommen, ist etwas anderes, als es persönlich zu definieren. Ich habe ein Beispiel von einer Kollegin, die einen Circle mit mir durchlaufen hat. Sie hat die Kommunikation um unseren Purpose im Vorhinein mitbekommen - durch den Prozess in unserem Purpose Circle hat sie jedoch erst erkannt, was für einen Einfluss sie in ihrer Rolle auf den Erfolg von Beiersdorf hat. Es war spannend, mitzuerleben, wie diese Erkenntnis gefördert wurde.

Welche Learnings hast Du aus euren Purpose-Circles mitgenommen?  

Wie bedeutend es ist, Leute über ein so tiefgreifendes Thema zusammen zu bringen. Menschen, die in ihrer täglichen Arbeit vielleicht nie etwas miteinander zu tun gehabt hätten, sprechen miteinander über ihren Antrieb. Genau das führt zu einer tieferen Auseinandersetzung mit dem Thema, als wenn es jede*r individuell angeht. Man wird einfach anders gechallenged – zum Beispiel auch bei der Frage, wie man sicherstellt, die Erkenntnisse aus dem Purpose in der eigenen Arbeit umzusetzen. Von verschiedenen Mitarbeiter*innen habe ich gehört, dass sie auch nach dem Abschluss des Purpose Circle noch in Kontakt geblieben sind und gerade auch in Home-Office-Zeiten somit eine tiefere, menschlichere Verbindung im Zusammenhang mit ihrer Arbeit erlebt haben. Das ist total schön zu sehen.

Hat das Format für Dich selber etwas geändert?  

Tatsächlich! Um das Format mit Gruppen zu testen und weiter anzupassen, bin ich es selber mehrfach durchlaufen und bis zur dritten Runde kam jedes Mal eine neue Erkenntnis für mich dabei heraus. Der Fokus in den Circles war auch jedes Mal unterschiedlich: In einer Runde ging es vorrangig um den beruflichen Purpose, bei anderen war es privater. In einem Circle hatten wir sehr philosophische Diskussionen darüber, was Purpose eigentlich ist. Mir hat es selber immer wieder neue Erkenntnisse gebracht, zu hören, wie andere den Beiersdorf Purpose interpretieren. Und ich habe auch mitbekommen, dass andere Teams sich inspiriert durch den Purpose Circle nun auch mit ihrem Team-Purpose auseinandersetzen wollen. Das ist ein toller Domino-Effekt.

 

Wie war der Weg zu eurem Beiersdorf-Purpose?  

Ein cross-funktionales Team hat mit verschiedenen Methoden über mehrere Monate hieran gearbeitet und hat Mitarbeiter*innen aus den verschiedensten Ländern und Funktionen einbezogen. Eine wichtige Komponente auf dem Weg zu unserem Beiersdorf-Purpose war, nach innen in die Gründungsgeschichte des Unternehmens zu gucken: Wieso wurden wir gegründet, wofür standen wir damals und was ist die Essenz, die wir bis heute davontragen? Die zweite Komponente beschäftigt sich mit der Außenwelt: Welche Stellung nehmen wir eigentlich in der Gesellschaft ein, welchen Bedarf können wir erfüllen? 

Wenn man sich den Weg zum persönlichen Purpose anschaut, sind das spannenderweise sehr ähnliche Fragen: Worin bin ich gut und wofür möchte ich mich einsetzen? Letztendlich unterscheidet sich das Herausarbeiten eines Unternehmenspurpose also gar nicht so sehr von dem Finden des individuellen Purpose.

Hast Du einen Tipp für Unternehmen, die sich den Themen Purpose und New Work nähern wollen? 

Aus Unternehmenssicht macht es Sinn, erst einmal den Impact zu verstehen: sowohl auf emotionaler Ebene als auch auf Zahlen- und Datenebene. Es gibt Forschungsarbeiten, die zeigen, dass ein Purpose nicht nur auf das Engagement von Mitarbeiter*innen, sondern auch auf Unternehmenszahlen positive Auswirkungen hat. Um als Unternehmen intern davon zu überzeugen, dass Purpose ein wichtiges Thema ist, liegt es nahe, beide Sichtweisen einzubeziehen: Die zahlen- und datengetriebenen Menschen brauchen Beweise, um sich darauf einzulassen; und Menschen, die sich auch persönlich stark mit solchen Fragen auseinandersetzen, wird man eher auf emotionaler Ebene erreichen.

Vor allem gilt allerdings, es ernst zu meinen. Einfach zu sagen: Wir machen einen Workshop und definieren unseren Purpose und das war es dann, reicht absolut nicht. Es ist wichtig, dem Thema Zeit und Raum einzuräumen – sowohl von Unternehmensseite als auch von individueller Seite.

Was hat das Thema Purpose für Dich persönlich verändert?

Mit Blick auf den individuellen Purpose liest man oft: „It’s why you get out of bed in the morning “. Ich finde, das wird zum Teil in den Medien falsch projiziert – so muss es nicht sein. Für mich ist es eher ein grundlegender Gedankengang, ein Anker, der einem helfen kann, die Dinge einzuordnen und seine Arbeit mit einem bestimmten Mindset anzugehen. Ich selber denke nicht jeden Morgen über meinen Purpose nach – aber es hilft mir zum Beispiel, in einer schwierigen und anstrengenden Projektphase daran zu denken, was für einen Impact das Projekt hat und warum es mir wichtig ist, mich dafür einzusetzen. Es hat eine extreme Kraft, daraus Motivation schöpfen zu können und auch in kleinteiligen Aufgaben das große Ganze zu sehen.  

Last but not least, wie lautet eigentlich der Beiersdorf-Purpose?  

Unser Unternehmenspurpose ist: Care Beyond Skin. Das bedeutet für uns, dass unsere Pflege und Fürsorge seit jeher über die Pflege der Haut hinausgeht, da wir uns auch um das Wohl der Mitmenschen, der Gesellschaft und der Umwelt kümmern.