Wie kann Remote Work gelingen?

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Homeoffice-Beraterin Teresa Hertwig von GetRemote begleitet Unternehmen beim Umstieg von einer reinen Präsenzkultur hin zum mobilen Arbeiten. Sie hilft Unternehmen dabei eine nachhaltige Home Office Kultur & Struktur zu etablieren, ohne dass die Produktivität darunter leidet. 

Mit Teresa habe ich darüber gesprochen, wie die Pandemie die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten verändert hat und wie Remote Work in Unternehmen nachhaltig gelingen kann.

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Wann bist Du mit New Work zum ersten Mal in Berührung gekommen?

Heute ist mir klar, dass New Work schon in mein Leben kam, bevor ich den Begriff überhaupt kannte. Meine ganz persönliche Lebensgeschichte hat dazu geführt, dass ich hinterfragt habe, wie ich eigentlich leben und arbeiten will. Ich komme ursprünglich aus Bayern. Dort lebt meine Familie in einem kleinen Dorf in der Nähe von Passau. Aber ich wollte in der Hauptstadt arbeiten. Als ich dann Tante wurde, wurde mir klar, dass ich nicht permanent in Berlin sein möchte, sondern auch Zeit auf dem Land bei meiner Familie verbringen möchte. Und so bin ich ganz straight zu meinem Chef gegangen und habe gefragt, was noch niemand zuvor in meinem damaligen Unternehmen gefragt hatte: Ob ich eine Woche im Monat von Passau aus arbeiten könnte. Er hat zugestimmt und damit begann meine ganz persönliche Geschichte mit Remote Work und New Work.

New Work hat also nicht nur mit der Art und Weise, wie wir arbeiten, sondern auch mit der Frage, wie wollen wir leben, zutun? 

Definitiv! Früher war eine sehr klassische Karriere mein Ziel: bei BMW im Marketing arbeiten. Nach dem Abi war ich dann bei einer Unternehmensberatung in München. Es war cool, aber so habe ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Als ich dann in die Berliner Start-Up Szene gekommen bin, wurde mir klar: Es geht auch anders. 

Aus meiner Sicht geht es nicht vordergründig um die Frage: Was will ich arbeiten?  Zentraler ist doch die Frage: Wie will ich leben? Und: Welche Rahmenbedingungen braucht es in einem Job, damit ich so leben kann? Wenn ich eine Ausbildung zur Krankenschwester  mache, weil mir Menschen am Herzen liegen und ich mich für Medizin interessiere, muss mir trotzdem bewusst sein, dass man Nachtschichten hat, am Wochenende arbeitet und ortsgebunden ist. Diese Denkweise wird uns leider nicht früh genug mit auf dem Weg gegeben. Wir machen einen Abschluss, suchen uns einen Beruf aus ohne uns darüber bewusst zu sein, was für ein Leben wir eigentlich führen wollen.


In welchem Verhältnis stehen die Begriffe Remote Work und New Work? Ist Remote Work ein Katalysator für New Work?

Ich würde sagen, New Work ist der Oberbegriff und Remote Work ein Teilbereich davon. Gleichzeitig umfasst Remote Work verschiedene Arten und Weisen zu arbeiten. Oft wird mit Remote Work das digitalen Nomadentum in Verbindung gebracht. Es tauchen Bilder von Menschen auf, die am Strand arbeiten. Das ist so nicht korrekt. Im Grunde sagt Remote Work aus, dass ein Unternehmen und deren Arbeitsabläufe ermöglichen, von jedem Ort aus zu arbeiten. Ob ich im Büro sitze, ob ich im Home Office bin oder wo auch immer auf der Welt. 

Doch Remote Work bezieht sich im Kern nicht nur auf den Arbeitsort, sondern insbesondere auf die Arbeitsweise. Es ist die Denk- und Handlungsweise eines Unternehmens und deren Mitarbeitender. Es ist etwas Grundlegendes. Deshalb ist es richtig, dass Remote Work ein Katalysator für New Work ist, weil diese Grundarbeitsweise jedem Menschen die Möglichkeit gibt, sein eigenes Herzensthema mit dem Arbeitsleben in Einklang zu bringen. Wenn es Unternehmen schaffen, Rahmenbedingungen zu bieten, damit alle Mitarbeitenden ihre Arbeit an die eigenen Lebenssituation anpassen kann, dann reden wir definitiv über New Work, das durch Remote Work ermöglicht wird. 


Die Art und Weise, wie wir arbeiten, verändert unsere Gesellschaft von grund auf. Wie stellst Du Dir die Zukunft unserer Gesellschaft vor? 

Wenn ich in die Zukunft blicke, dann werden viele Firmen ein Hybrid-Modell etablieren und die Arbeit im Büro, aber auch außerhalb des Büros ermöglichen. Ein solches Modell kann bereits einen wesentlichen Unterschied machen. Menschen, die Stand heute mit ihrem Job unglücklich sind, sind es oft nicht wegen ihrer Tätigkeit, sondern aufgrund der falschen Rahmenbedingungen. Sie sind zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort gefesselt. Das baut viel Druck auf. In meinen Workshops mit Teams leite ich die Menschen daher in eine Traumphase, um herauszufinden, was Remote Work alles für sie ermöglichen kann. Gesparte Fahrzeiten, mehr Zeit mit den Kindern, in Ruhe Zuhause mit der Familie essen.  

Meine Vision von Remote Work ist aber nicht nur an den Ort gebunden. Es geht vielmehr darum, dass wir ergebnisorientiert arbeiten können und dabei ganz andere Potenziale der Mitarbeitenden entfalten können, weil sie nicht in diese 40 Stundenwoche gepresst werden. Das wird die Zufriedenheit erhöhen und Wohlbefinden, wie auch Gesundheit nachhaltig verbessern. Und das ganz ohne Produktivitätsverluste, die von so vielen Unternehmen befürchtet werden - da bin ich mir sicher.


Wie hat das Jahr 2020 den Wandel in der Arbeitswelt aus Deiner Sicht verändert? Was hat sich bereits getan?

Meines Erachtens nach hat uns Corona 2020 tatsächlich fünf Jahre in die Zukunft katapultiert. Ich nehme zwei Tendenzen wahr: Zum einen Unternehmen, die den Beweis gebraucht haben, das Remote Work funktioniert und es möglich ist, ohne Einbußen von zu Hause zu arbeiten. Auf der anderen Seite habe ich das Gefühl, dass einige der Arbeitgeber, die bereits vor der Pandemie gegen Remote Work waren, jetzt noch mehr dagegen sind. Ich bekomme viele LinkedIn-Nachrichten von Menschen, die mir schreiben: “Cool, was du postest, aber unsere Führungskraft pfeift uns immer noch ins Büro.” Ich nehme wahr, dass die Home Office Situation vielerorts sehr positiv dargestellt wird und das vermutlich nicht ganz der Wahrheit entspricht. 

Doch wer sich jetzt noch gegen diese Bewegung verschließt, wird früher oder später echte Probleme bekommen. Remote Work wird nicht mehr weggehen. Auch wenn aktuell aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation einige sichere, klassische Unternehmen mehr Bewerbungen bekommen und sich dadurch in ihrer Richtung bestätigt fühlen, werden die Auswirkungen mit einem Zeitverzug einschlagen. Alle, die die Vorbereitungen verschlafen, werden vom Arbeitsmarkt früher oder später bestraft. Das ist meine Vorhersage. 


Was ist aus Deiner Sicht für Unternehmen entscheidend, um gut mit dem Wandel hin zu Remote Work umzugehen?

Vor Corona hieß es in vielen Unternehmen, Remote Work geht bei uns nicht. Durch Corona merken sie jetzt, dass es doch ganz gut geht. Nun unterschätzen sie aber, was es bedeutet, Remote Work dauerhaft einzuführen.  Ein großer Fehler liegt darin, zu denken, dass es mit einem Laptop getan ist. Vielmehr steckt in den aktuellen Veränderungen jedoch eine kulturelle Herausforderung, die Teams und Unternehmen managen sollten. 

Es werden diejenigen stärker aus der Krise hervorgehen, die die Zeit nutzen, um zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Es werden diejenigen gewinnen, die sich nicht nach alten Wegen sehnen, sondern genau jetzt aktiv nach neuen Wegen der Zusammenarbeit suchen und Kompromisse zwischen allen Beteiligten finden. Denn genauso, wie der Gang in die Pandemie eine extreme Situation wahr, kann der Gang zurück in ein “altes Normal” extrem werden. ? Wie gelingt die Zusammenarbeit zwischen den vielschichtigen Bedürfnissen, die diese Zeit hervorgebracht hat?


Wie arbeitest Du mit Unternehmen am Thema Remote Work?

Zunächst starte ich mit der Geschäftsführung, Personalleitung und Personen aus dem Senior Management in eine Strategiephase. Hierbei nutzen wir ein Framework, das ich entwickelt habe. Wir definieren eine Remote Work Vision, wir identifizieren Stolpersteine und bestimmen notwendige Ressourcen für die Veränderung. Das ist die Grundlagenarbeit. Und dann geht es darum, einen firmenweiten Rahmen zu definieren, auf dem dann die jeweiligen Teams im Unternehmen aufsetzen. 

Für viele Führungskräfte ist gerade das Problem, dass sie in einer Art Sandwich-Position sind. Die Mitarbeitenden haben vielfältige Bedürfnisse, mit denen sie an ihre Führungskräfte treten. Umso wichtiger ist eine gemeinsame strategische Basis mit essentiellen Leitplanken. So wissen die Führungskräfte, in welchem Rahmen sie sich bewegen dürfen. Im nächsten Schritt werden auf Teamebene die bisherigen Erfahrungen aufgearbeitet und entsprechend eigene Spielregeln innerhalb dieser definierten Leitplanken erstellt.


Hast Du ein paar einfache Best Practices, wie Teams in der Remote Arbeitswelt ein bisschen besser zusammenhalten können?

Für mich ist es beispielsweise selbstverständlich die Videofunktion zu nutzen. Unsere Gestik und Mimik, sowie unsere Körperhaltung sehen zu können, ist ein elementarer Bestandteil für nachhaltig vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit. Und wenn es darum geht, die eigene Privatsphäre zu schützen: es gibt in jedem Video-Tool mittlerweile die Möglichkeit, den Hintergrund virtuell einzufügen oder zu verwischen.  Wenn Firmen sagen, dass Home Office bei Ihnen nicht geklappt, ist meine erste Frage, ob sie die Videofunktion genutzt haben. Insbesondere für Führungskräfte ist die Mimik und Gestik ein wesentliches Führungsinstrument. Es ist doch fast unmöglich zu verstehen, wie es den eigenen Mitarbeitenden geht, wenn man sie nur noch hört aber gar nicht sieht. 

An zweiter Stelle ist es wichtig, einen sozialen Austausch herzustellen. Im Home Office überarbeiten wir uns eher. Die Befürchtung, zu wenig zu arbeiten, ist aus meiner Sicht völlig unbegründet. Daher ist es für Teams wichtig, etwas zu etablieren, das einem lockeren Umgang miteinander auch im virtuellen Raum ermöglicht. Auch wenn es sich am Anfang künstlich anfühlt, wir brauchen das. An vielen Stellen sind hier die Führungskräfte gefragt, um den ersten Schritt zu machen und mit gutem Beispiel voranzugehen.