Corona ist kein guter Head of New Work - Wie wir jetzt eine Arbeit gestalten, die uns wirklich stärkt

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Corona hat uns die Zügel aus der Hand genommen - Wir sind wieder gefragt!

3 Monate sind vergangen seitdem die Arbeitswelt von einem Virus auf den Kopf gestellt wurde. The “New Normal” ist seitdem für viele von uns das Home Office. Home Schooling, endlose Zoom Calls und den Laden am Laufen halten. Und auch wenn wir jetzt fast alle erfahrene Remote Worker sind, hat das wenig mit New Work zutun. Denn in den vergangenen Wochen herrschte wenig Raum für selbstbestimmtes Handeln. Für ein Wahrnehmen und Anerkennen der eigenen Bedürfnisse. Und ein entsprechendes Gestalten im Sinne dieser Bedürfnisse. Analoge Arbeitsweisen wurden schnell ins Digitale übertragen. Doch es ist Zeit, den Weg von Remote Work zu New Work zu gestalten. Uns als Menschen in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen, und eine Arbeit zu gestalten, die uns stärkt. Wir sind am Zug!

Eine Arbeitswelt, die uns stärkt - Der Kern von New Work.

Zuhause ähneln sich die Tage schnell. Raum und Zeit verschwimmen. Vom Frühstückstisch ins erste Meeting. Endlosschleife. Und am Ende des Tages die Frage: Was habe ich heute eigentlich bewegt? Und warum fühle ich mich so fertig?

Im Mittelpunkt der New Work Debatte steht die Frage, was der Mensch für ein gutes Leben braucht und wie wir Arbeit im Einklang mit unseren Bedürfnissen gestalten können. Dabei geht es nicht um ein lockeres Leben mit Sonne, Strand und Meer. Stattdessen sollte jeder die Möglichkeit haben, sich gut zu fühlen, gesund und leistungsfähig zu bleiben mit der Arbeit, die wir gerne tun. Eine Betrachtung unserer physiologischen und psychologischen Bedürfnisse als Menschen ist dafür zwingend notwendig.

Neue Arbeit im Einklang mit unseren physischen Bedürfnissen

Der 9-to-5 Job genießt trotz Arbeitszeitflexibilisierung weiterhin Beliebtheit. Vermutlich liegt das auch an unserem menschlichen Biorhythmus. Morgens steigt unsere Leistungsfähigkeit. Nach einigen kleinen Ups and Down sinkt sie gegen Abend wieder. Viel früher oder viel später geht bei den meisten von uns eher nicht so viel. Dennoch gibt es um 9-to-5 herum viele Muster, die bisher wenig in unserer Arbeitswelt beachtet werden. Eines dieser Muster ist unsere Chronobiologie, besser bekannt als die zwei Chronotypen Lerche (Morgentyp oder Frühaufsteher) und Eule (Abendtyp oder Langschläfer). Beide Typen unterscheiden sich nicht nur in ihren Schlaf-Wach-Gewohnheiten, sondern auch in ihren Leistungsphasen entlang eines Tages.

Dem eigenen Biorhythmus auf der Spur

Vermutlich kennst Du es aus Deiner Familie oder Deinem Kollegenkreis. Bei manchen wundert man sich, warum sie morgens so gut aus dem Bett kommen, produktiv und aktiv sind. Andere kommen dagegen erst im Laufe des Vormittags nach den ersten ein, zwei Kaffees in Fahrt und halten dafür am Abend länger durch. 

Beende den Satz: “Der frühe Vogel …” und Du findest heraus in welche Gattung der Vögel Du Dich einordnest. Ob der frühe Vogel bei Dir ein positives oder ablehnendes Bild hervorruft, sagt sehr viel darüber aus, ob Du Dich eher zu den Lerchen oder Eulen zählst ;-) 

Aber was macht die Lerche und was macht die Eule eigentlich aus? 

Als Lerche fängst Du als früher Vogel sprichwörtlich den Wurm. Du erreichst schon früh am Morgen Phasen hoher Kreativität und Problemlösungskompetenz und erlebst dafür gegen Abend eher eine mentale Flaute.

Als Eule kümmerst Du Dich nicht um den Wurm. Du brauchst morgens einen Moment um warm zu werden und erlebst am späten Vormittag und vor allem auch später am Abend Phasen hoher Kreativität und Problemlösungskompetenz.

Unsere innere Uhr ist zu weiten Teilen genetisch verankert und legt fest, wann bestimmte hormonelle und biologische Prozesse in unseren Körpern aktiv sind und entsprechend wann unsere körperlichen oder geistigen Tätigkeiten zu besten Ergebnissen führen. Wenn wir gesund, zufrieden und leistungsfähig sein wollen, sollten wir mit diesem Rhythmus arbeiten statt gegen ihn. - Welcher Typ bist Du?

Chronobiologie-Chronotypen-Eule-Lerche-Biorhythmus-Grafik.jpg

Quelle: karrierebibel.de

New Work als Schlüssel zu körperlicher Leistungsfähigkeit

Die obige Darstellung ist natürlich sehr vereinfacht und zeigt einen durchschnittlichen Tag zweier durchschnittlicher Chronotypen. Daneben gibt es noch viele weitere Schattierungen zwischen Lerche und Eule. Dass sich die jeweiligen Typen keinen Gefallen tun, wenn sie dauerhaft gegen ihren Biorhythmus arbeiten, belegen diverse Untersuchungen. Dennoch müssen sich in der Arbeitswelt viele Menschen gegen ihren Chronotyp an die vorgegebenen Arbeitszeiten halten. Das macht organisatorisch vielleicht Sinn, nimmt jedoch wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse des individuellen Menschen. Wenn wir kontinuierlich gegen unseren eigenen Rhythmus arbeiten, wirkt sich das nicht nur negativ auf unsere Produktivität und Leistungsfähigkeit aus, sondern wird letztlich auch unsere individuelle Zufriedenheit beeinträchtigen und kann selbst zu gesundheitlichen Auswirkungen führen.

Wenn es bei New Work darum geht, uns als Menschen zu stärken, dann ist eine weitere Flexibilisierung von Arbeit auch nach Corona ein zwingend notwendiger Schritt. Und dazu gehört aus meiner Sicht neben der reinen Arbeitszeitflexibilisierung auch insbesondere eine zeitliche Flexibilisierung der Aufgabenerfüllung. Denn wann ich persönlich die beste Arbeit im Kontext meines Lebensalltags leisten kann, und dabei meine Leistungsfähigkeit wahre, das kann nur ich selber entscheiden. 

Nutze Deinen natürlichen Rhythmus für statt gegen Dich

Um diese Flexibilität für das eigene Wohlbefinden und die eigene Leistungsfähigkeit einzusetzen, sollten wir uns mit unserer individuellen Leistungskurve beschäftigen. Ein kleiner Selbstversuch über den Lauf einer Woche kann schon genügen, um herauszufinden, welche Zeitfenster des Tages für Dich zu welchen Aufgabentypen passen.  Wann bist Du geistig fit und aufnahmebereit? Wann kannst Du gut kreativ arbeiten? Wann kündigen sich aber auch Leistungstiefs an, die eher von einer mentalen Flaute geprägt sind? Es gilt Raum für diese Art von Erkenntnissen zu schaffen und diese dann auch für die Gestaltung unserer Arbeit zu nutzen.

New Work Tipp # 1: Erkenne Deine Phasen hoher Kreativität oder Problemlösungskompetenz und nutze sie bewusst für entsprechende Aufgaben oder anspruchsvolle Termine und Workshops. 

New Work Tipp # 2: Erkenne Deine Erschöpfungsphasen entlang des Tages, sei es nach dem Mittagessen oder am frühen Abend und vermeide, soweit möglich, anspruchsvolle Tätigkeiten oder kritische Termine innerhalb dieser Phasen. Stattdessen setze diese Phasen bewusst für unkritische, einfache Aufgaben oder informelle Termine ein. Und natürlich auch für Pausen - wobei diese nicht nur an Erschöpfung gekoppelt sein sollten.

New Work Tipp #3: Wenn Du Teil eines Teams bist, dann tausche Dich mit Deinen Kolleg*innen über Euren jeweiligen Rhythmus aus und sprecht darüber, wie sich ein Set-up in Eurem gemeinschaftlichen Sinne finden lässt. Ein gegenseitiges Bewusstsein für die Bedürfnisse der jeweils anderen schafft Vertrauen und Freiraum, New Work auch wirklich leben zu können.

Anmerkung: An dieser Stelle könnte man leicht sagen: “Wie soll das denn in einem großen Team / Bereich / Konzern funktionieren? Die Strukturen lassen wenig Raum für individuelle Vorlieben.” - Wenn Dir ein ähnlicher Gedanke in den Sinn kommt, gerade dann empfehle ich Dir, umso hartnäckiger mögliche Wege in Deinem Arbeitsumfeld zu erforschen. Wie Arbeit und Unternehmen heute strukturiert sind, ist kein Gesetz. Wir haben den Wandel selber in der Hand.

The time in now: Lasst uns Gestalter*innen unserer Arbeit werden

Bei der Flexibilisierung von Arbeit geht es nicht nur um Zeit und Ort. Es sollte vor allem auch darum gehen, wie wir unsere Arbeitszeit gestalten und wie wir unsere Aufgaben erfüllen. Unseren eigenen Rhythmus zu beobachten, zu entschlüsseln und entsprechend den Tag zu planen, ist ein entscheidender Schritt dafür. Ein Schritt, der dafür sorgen kann, dass wir produktiver und kreativer sind und Probleme besser lösen. Unnötiger Stress und Druck kann auf diese Weise in der Quelle vermieden werden. Arbeit wird erfüllend und hält uns gesund und leistungsfähig. 

Corona hat uns in eine neue Realität geführt. Wir sollten uns mit dieser Realität aber nicht als “New Normal” zufrieden geben. Stattdessen sollten wir genau jetzt schauen, dass wir unseren menschlichen Bedürfnissen wieder mehr Gehör verschaffen können. Arbeit im Einklang mit dem Körper ist ein Teil der Gleichung. Ein weiterer Teil sind unsere psychologischen Bedürfnisse, die durch den Wandel zu Remote Work teils maßgeblich gefährdet sind. Was es damit auf sich hat, und wie wir New Work auch aus psychologischer Sicht gestalten können und sollten, beschreibe ich im zweiten Teil. Lasst uns Corona als Head of New Work ablösen und das Zepter selber in die Hand nehmen. Wir gestalten Arbeit!

Benjamin