Corona ist kein guter Head of New Work (Teil 2 von 2): Was selbst-bestimmtes Arbeiten jetzt braucht

Das ist Teil 2 von 2 zum Thema New Work in und nach Zeiten von Corona. Während Teil 1 unsere körperlichen Bedürfnisse beleuchtet hat, geht es hier um die Psychologie des selbstbestimmten Arbeiten.

Corona ist kein guter Head of New Work - Wir sind wieder gefragt!

3 Monate sind vergangen seitdem die Arbeitswelt von einem Virus auf den Kopf gestellt wurde. The “New Normal” ist seitdem für viele von uns das Home Office. Home Schooling, endlose Zoom Calls und den Laden am Laufen halten. Und auch wenn wir jetzt fast alle erfahrene Remote Worker sind, hat das wenig mit New Work zutun. Denn in den vergangenen Wochen herrschte wenig Raum für selbstbestimmtes Handeln. Für ein Wahrnehmen und Anerkennen der eigenen Bedürfnisse. Und ein entsprechendes Gestalten im Sinne dieser Bedürfnisse. Analoge Arbeitsweisen wurden schnell ins Digitale übertragen. Doch es ist Zeit, den Weg von Remote Work zu New Work zu gestalten. Uns als Menschen in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen, und eine Arbeit zu gestalten, die uns stärkt. Wir sind am Zug!

Die Psychologie hinter New Work verstehen und nutzen

Die Psychologie verrät: Unsere Grundbedürfnisse sind der wahre Treiber hinter unserem Handeln. Wenn wir es auf Dauer nicht schaffen, diese Grundbedürfnisse zu stillen, werden wir unzufrieden oder sogar mental krank. Unsere mentalen Bedürfnisse sind aber nicht nur Risiko, sondern vor allem auch eine Chance: Wenn wir unsere Arbeit bewusst gestalten, haben wir die Möglichkeit, ein erfülltes und gesundes Arbeitsleben zu gestalten. 

Aber welche psychologischen Grundbedürfnisse sind dafür relevant? - In den letzten 100 Jahren haben sich viele Psychologen dieser Frage angenommen. Von der Bedürfnispyramide von Abraham Maslow aus dem Jahre 1943 bis hin zur Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan aus dem Jahre 1985. Dabei stechen immer wieder drei Grundbedürfnisse heraus, die sich wie folgt zusammenfassen lassen (orientiert an Deci und Ryan):

Autonomie beschreibt das Bedürfnis, selber steuern und kontrollieren zu können, was wir tun oder nicht tun. Wir wollen uns als Verursacher unserer Handlungen verstehen. Unsere Handlungen sollen durch ein Gefühl der Freiwilligkeit und Unabhängigkeit begleitet werden.

Soziale Eingebundenheit beschreibt das Bedürfnis, sich als Mensch im Kontext mit anderen zu erleben und dazugehören zu wollen. 

Kompetenz beschreibt das Bedürfnis, sich fähig, wertvoll und geliebt zu fühlen. Wir wollen uns als Mensch erproben können und uns als erfolgreich erleben. Wir wollen selbst wirksam werden mit unseren Handlungen und dafür Wertschätzung von anderen erfahren.

Unsere psychologischen Bedürfnisse sind bedroht - Wir müssen handeln

Autonomie, soziale Eingebundenheit, Kompetenz. Inwieweit diese Bedürfnisse erfüllt werden, hat sehr viel mit uns selber, aber vor allem auch mit den Rahmenbedingungen zutun, in denen wir agieren. Corona und Remote Work verändern diese Rahmenbedingungen enorm und stellen damit ganz neue Anforderungen an die Befriedigung dieser Bedürfnisse. Jeder einzelne, vor allem aber auch Führungskräfte sind gefordert, auf diese Bedürfnisse in der Gestaltung der Arbeit einzugehen. Nur so können wir den Weg von Remote Work zu New Work bahnen und selbstbestimmtes Arbeiten fördern, das den Menschen stärkt. Ein Agieren in diesem Sinne ist nicht als Wohlfühl-Initiative zu verstehen, vielmehr geht es hierbei um unsere grundlegende mentale Gesundheit, die wir bewahren und fördern sollten.

New Work Tipp #4: Remote Work erschwert durch physische Distanz die soziale Eingebundenheit von Menschen. Besonders in Teams, die Remote Work nicht gewohnt sind, braucht es daher Formate, die die Menschen auf verschiedene Weisen zusammenführen und ihnen das Gefühl geben, Teil eines Teams zu sein. Zeit für Gespräche im 1-zu-1 sind ebenso wichtig, wie informelle Zeit als Team (etwa im Rahmen eines virtuellen Afterwork). Zusätzlich wird auch der Bedarf nach einer emotionalen Klammer für ein Team stärker. Führungskräfte sollten daher Themen wie Purpose, Vision und Werte stärker in den Alltag integrieren, etwa indem sie in Teamformate wie Projektupdates oder Retrospektiven aktiv einfließen.

New Work Tipp #5: Die aktuelle Situation stellt uns vor vollendete Tatsachen. Der Wechsel hin zu Remote Work war für viele abrupt. Die gegenwärtige Heimarbeit hat aber deshalb nicht viel mit New Work zutun, weil die Möglichkeit der Selbstbestimmung fehlt. Wie wir arbeiten wollen, konnten wir nicht wirklich gestalten. Genau deshalb ist es entscheidend jetzt darüber zu reden, wie wir in unseren Teams und Unternehmen die Zukunft unserer Arbeit im Einklang mit unseren Bedürfnissen gestalten wollen. Was haben wir durch Corona gelernt und was wollen wir verändern? Lösungen sollten auf Ebene der Unternehmen, Teams und auch individuell diskutiert und geschaffen werden. 

Klarheit über Bedürfnisse und Motive als oberste Prämisse 

Wir sehen auf der einen Seite unsere Grundbedürfnisse - physiologisch und psychologisch. Und wir erkennen auf der anderen Seite auch die Gestaltungsspielräume, die wir heute haben - örtlich, zeitlich, technologisch. Für das Matchen der beiden Seiten gibt es keinen Blueprint. Im ersten Schritt braucht es einen Raum für eine individuelle Auseinandersetzung mit der Frage, was uns wirklich wichtig ist. Um für uns selber Klarheit über unsere Motive, Wünsche und Absichten zu bekommen. 

Vor allem braucht es aber auch einen Dialog darüber, wie Wege geschaffen werden können, um eine Arbeit entlang der persönlichen Motive und Bedürfnisse zu ermöglichen. Und dabei geht es nicht um ein Zugeständnis gegenüber den Mitarbeiter*innen, sondern darum wie Arbeit zukunftsfähig für ein Unternehmen und in der Gesellschaft gestaltet werden kann.

New Work Tipp #6: Wir brauchen ein leitendes Motiv, an das sich die Gestaltung unserer Arbeit orientiert. Führungskräfte sollten mit ihren Mitarbeiter*innen den Dialog hinsichtlich dieser Motive und Bedürfnisse suchen. Es gilt Raum für Reflexion zu schaffen, individuell und im Kollektiv. Dieser Prozess ist keine Holschuld der Führungskräfte, sie geben lediglich den Rahmen vor. Stattdessen liegt die Verantwortung bei jedem Einzelnen. Die Frage, was ich als Mensch brauche, um produktiv und nachhaltig leistungsfähig zu arbeiten, steht dabei im Mittelpunkt.

The time in now: Lasst uns Gestalter*innen unserer Arbeit werden

New Work steht für selbstbestimmtes Arbeiten, das unsere grundlegenden menschlichen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Es geht darum, wie wir produktiv, kreativ und erfüllt miteinander arbeiten können. Und es geht vor allem darum, wie wir körperlich und geistig gesund und leistungsfähig bleiben können, während wir für eine Sache oder ein Unternehmen wirksam werden. Neue Arbeit ist keine Wohlfühl-Initiative. Und unsere aktuelle Remote Work Realität hat nicht zwangsläufig etwas mit New Work zutun. 

Corona hat uns in eine neue Realität geführt. Wir sollten uns mit dieser Realität aber nicht als “New Normal” zufrieden geben. Stattdessen sollten wir genau jetzt schauen, dass wir unseren menschlichen Bedürfnissen wieder mehr Gehör verschaffen können. Und Arbeit in Einklang mit unseren physiologischen und psychologischen Bedürfnissen bringen. Lasst uns Corona als Head of New Work ablösen und das Zepter selber in die Hand nehmen. Wir gestalten Arbeit!

Benjamin