Arbeit im Intervall: Im Rhythmus zum eigenen Flow
Die ausgebrannte Gesellschaft
“Höher, schneller, weiter”. So in etwa könnte das Credo unserer alten Leistungsgesellschaft lauten. “Wenn Sie mehr erreichen wollen, dann müssen Sie einfach mehr leisten.” Was wie ein logischer Weg zu mehr Erfolg klingt, ist in Wirklichkeit ein großer Irrglaube. Was passiert, wenn wir Leistung als Superlativ denken, rückt derzeit zunehmend in das Sichtfeld unserer Arbeitswelt. Unsere Gesellschaft ist übermüdet, sie erkrankt und brennt aus. Mit zunehmender Arbeitsverdichtung steigt der Druck auf die arbeitende Bevölkerung. Fehltage aufgrund von mentalen Erkrankungen haben sich in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt. Noch größer ist die Dunkelziffer an Arbeitnehmer:innen, die sich trotz seelischer Probleme an den Arbeitsplatz schleppen.
Auf der Suche nach gesunder Leistung
Wenn wir immer mehr leisten wollen, erreichen wir in Wirklichkeit immer weniger. Dieses Phänomen haben bereits die Psychologen Robert Yerkes und John D. Dodson im Jahre 1908 beschrieben. In Ihren Studien erkannten sie, dass zwar durch wachsenden Einsatz und Stress zunächst unsere Produktivität steigt. Doch diese Entwicklung hält nur bis zu einem individuellen Scheitelpunkt stand, unserem Leistungsoptimum. Wenn wir diesen Scheitelpunkt übersteigen, dann befinden wir uns nahezu im freien Fall. Wir werden unkonzentrierter, unproduktiver und brennen im schlimmsten Fall aus.
Was die beiden Wissenschaftler damit erkannten, ist folgende These: Es ist nicht der Einsatz der Mittel, der den Erfolg bringt, sondern seine Effizienz. Entscheidend ist nicht, wie viel wir leisten, sondern wann und wie wir unsere Leistung bringen. Diese Erkenntnis machen sich vor allem auch Leistungssportler:innen zu eigen.
Vom Leistungssport lernen
Wenn wir an Leistungssportler:innen denken, dann scheint das Mantra “Höher, schneller, weiter” ebenfalls nicht weit entfernt. Geht es Profisportler:innen nicht genau darum: Möglichst neue Rekorde am laufenden Band aufzustellen, um die eigene Position zu manifestieren?
Was wir als Zuschauer:innen des Leistungssports oft nicht sehen, ist der Weg, der von einem Rekord zum nächsten führt. Denn der Alltag einer Leistungssportlerin besteht nicht ausschließlich im Leisten. Tatsächlich nehmen intensive Belastungen in der Regel nicht mehr als 5 bis 10 Prozent des Trainingsumfangs ein. Lockere Trainingseinheiten sind also ebenso elementarer Bestandteil der täglichen Leistung, wie bewusste Zeit zur Regeneration. Es geht um eine aktiven Wechsel von Anspannung und Entspannung.
Erfolg ist also nicht ausschließlich Resultat harter Arbeit. Vielmehr steht die strategische Erholung im Zentrum einer erfolgreichen Sportlerkarriere. Und genau hierin liegt für Leistungssportler:innen der Schlüssel für nachhaltigen Leistungsaufbau und Wettkampferfolg.
Leistung entsteht im Intervall
Mittlerweile finden die Trainingsmethoden des Leistungssports auch Einzug in den Mainstream. Intervalltraining ist en vogue. Ein bewusster Einsatz von hochintensiven Trainingsreizen lockt mit schnellen Erfolgen. Und auch im Kontext der Ernährung erfreut sich das Intervallfasten steigender Beliebtheit und wird mittlerweile von Millionen Menschen täglich praktiziert. Doch worin liegt die Magie des Intervalls?
Grundlegend lässt sich der Erfolg von Intervallmethoden in unserer menschlichen Natur finden. Als Mensch folgen wir biologischen Rhythmen, die unserem Leben eine Struktur geben. Wir erleben Schlaf- und Wachrhythmen, aktive und passive Rhythmen, genauso wie kreative und unkreative Phasen in unserem Alltag. Verankert sind diese Intervalle in unserer Biologie. Die Wissenschaft der Chronobiologie konzentriert sich darauf, diese Rhythmen zu entschlüsseln und kommt zu beeindruckenden Ergebnissen, wie eine Studie des Fraunhofer Instituts zeigt. Wenn wir es schaffen, uns an unseren natürlichen Intervallen auszurichten, leben wir gesünder, können unsere Lebenserwartung steigern und unseren Wohlstand positiv beeinflussen.
Den individuellen Arbeitsrhythmus finden
Was passiert, wenn wir unseren biologischen Rhythmus nicht folgen und uns von außen takten lassen, zeigen die aktuellen Entwicklungen. Wir überlasten uns, übermüden und brennen aus, weil wir gegen und nicht mit unserer Biologie arbeiten. Dabei zeigen in den meisten Fällen offensichtliche körperliche und mentale Alarmsignale bereits das etwas nicht stimmt. Sind wir oft verspannt und können uns nur schwer erholen? Haben wir Schlafprobleme oder Stimmungsschwankungen? - Bereits in diesen Signalen des Körpers können wir erkennen, dass unser Rhythmus gestört ist.
Dabei liegt eine große Chance darin, unsere Arbeit im Einklang mit unserer natürlichen Intervallen zu bringen. Hierbei geht es nicht darum, unsere Zeit besser zu managen, sondern unseren ganz persönlichen Rhythmus zu finden, wie Lothar Seiwert und Silvia Sperling auch in ihrem Buch “Die Intervall-Woche” beschreiben. Neben Phasen tiefer, produktiver Arbeit geht es insbesondere darum Phasen großer Erschöpfung proaktiv zu vermeiden, um unsere Leistungsfähigkeit nachhaltig zu erhalten und langfristigen Erfolge erzielen zu können. Eine Arbeit im Einklang mit den eigenen Intervall ist der effektivsten Weg hierfür.
Streben nach dem perfekten Intervall
So individuell wir als Menschen sind, so individuell ist auch unser natürlicher Rhythmus. Trotzdem gibt es einen grundlegenden Rahmen, der uns Orientierung bietet. Ein wesentliches Element, um unsere Leistungsintervalle zu bestimmen, ist der Basis-Ruhe-Aktivitäts-Zyklus (BRAC). Der Schlafforscher Nathaniel Kleitman konnte einen Intervallzyklus während unseres Schlafs nachweisen, welcher sich ebenfalls auf unsere Wachphasen übersetzen lässt. Demnach beginnt unser Rhythmus mit einer Aktivphase von circa 90 Minuten, in der wir uns wach, kraftvoll und selbstbewusst fühlen. Wenn diese Phase endet, beginnt eine Regenerationsphase von 10 bis 20 Minuten, welche oft durch mentale Abwesenheit oder Schläfrigkeit geprägt ist. Die anschließende Aktivphase von ebenfalls circa 90 Minuten wird von einer größeren Regenerationsphase von circa 40 bis 50 Minuten gefolgt.
Diese Aktivitäts- und Regenerationsphasen verlaufen mit erstaunlicher Genauigkeit und sind tief in unserer Biologie verankert. Sie lassen sich also nicht einfach verschieben, nur weil der nächste dringende Termin ruft. Unsere Versuche, unseren Rhythmus mit ausreichend Kaffee oder anderen Substanzen zu überlagern, wird mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass wir überdurchschnittlich viel Energie verbrauchen und unser Gleichgewicht ins Wanken bringen. Ein solches Verhalten kann unser Körper hin und wieder verkraften, doch wir setzen unsere Leistungsfähigkeit damit nachhaltig auf’s Spiel, und beeinträchtigen zudem unser Energielevel für den restlichen Tag.
Das Geheimnis zum perfekten Intervall liegt jedoch nicht in einer genauen Uhr, die nach 90 Minuten die nächste Phase einläutet. Vielmehr sind wir gefordert, in der Struktur der Intervalle die Signale unseres Körpers, wie eine einsetzende Müdigkeit oder Konzentrationsmangel, zu erkennen, um unseren individuellen Rhythmus zu finden. Die Verbindung von Struktur und Bewusstsein ist der Schlüssel zu nachhaltiger Performance.
Im Intervall den eigenen Flow erleben
Wenn es uns gelingt, die richtigen Rahmenbedingungen für unsere Aktivphasen zu schaffen, dann steigern wir die Chance, Momente echten Flows in diesen Phasen erleben zu können. Momente, in denen wir uns ablenkungsfrei vollkommen in eine Tätigkeit vertiefen, unser Gefühl für Zeit und Raum verlieren und innere Erfüllung erleben.
Der Glücksforscher Csíkszentmihályi beschreibt, dass Flow-Momente insbesondere dann auftreten, wenn wir anspruchsvollen Aktivitäten nachgehen, die uns weder über- noch unterfordern. Wir verspüren in diesen Momenten eine Klarheit darüber, was zutun ist, sind sorgenlos und vertrauen in unsere Fähigkeiten. Csíkszentmihályi betont, dass Flow-Erleben voraussetzt, dass wir in unserer Tätigkeit einen freien Ausdruck finden können, gestalterisch wirksam sind und uns von einem Erwartungsdruck unserer Tätigkeit befreien können.
Im Kontext unserer Intervalle sind Flow-Momente Phasen hochintensiver Arbeit. Entsprechend kann es nicht unser Anspruch sein, Flow täglich von 8 bis 16 Uhr zu erleben. Vielmehr liegt es an uns, die Rahmenbedingungen für Deep Work Sessions zu schaffen, wie Cal Newport Phasen hochkonzentrierter Arbeit in seinem gleichnamigen Buch “Deep Work” bezeichnet. Flow und Deep Work brauchen vorherige Ruhe und Erholung. Sie brauchen eine ablenkungsfreie Atmosphäre und eine Aufgabenstellung, die unsere Fähigkeiten im angemessenen Rahmen herausfordert.
Gesunde Leistung bedeutet, neben intensiven Arbeitsphasen einen Ausgleich zur Regeneration zu schaffen - in diesem Guide erfährst Du mehr über die Flow-Theorie, die Dich in den Fokus bringt! Mit der Flow-Checkliste erhältst Du alle wichtigen Schritte auf einen Blick.
Mit Intervall-Arbeit zu gesunder Leistung
Für die Arbeit im eigenen Rhythmus gibt es keine Standardlösung. Vielmehr braucht die Intervall-Arbeit eine Offenheit, Vertrauen und Experimentierfreude, um individuell und gemeinsam eine Struktur für gesunde Leistung zu finden.
Führungskräfte sollten den Dialog mit ihren Mitarbeitenden eröffnen, Bewusstsein für gesunde Leistung fördern und Raum geben, um im Rahmen der Möglichkeiten eigene Arbeitsstrukturen finden zu können. Das bedeutet vor allem auch, den Mitarbeitenden mehr Freiheiten einzuräumen, wann und wo sie ihre Arbeit am besten erledigen.
Zudem ist es zentral individuelle Stärken der Mitarbeitenden zu erkennen, zu fördern und zu fordern, um Flow-Erleben zu ermöglichen. In Balance mit den neuen Freiheiten der Mitarbeitenden ist es entscheidend, ein Gefühl für die Belastungslevel der Mitarbeitenden zu erhalten, um rechtzeitig agieren zu können, wenn eine anhaltende Überlastung droht.
Führungskräfte können auf diesem Weg einen enormen Beitrag leisten, eine Leistungskultur zu prägen, die Gesundheit und Erfüllung als Antreiber einer neuen Leistungsfähigkeit versteht, und damit der alten Leistungsgesellschaft den Wind aus den Segeln nimmt.
Du hast Lust, die Chancen von gesunder Leistung für Dein Arbeitsleben zu entdecken? Du möchtest Dich nicht länger energielos durch die Woche schleppen und Dich völlig erschöpft in den Feierabend und ins Wochenende stürzen? - Ich bin davon überzeugt, dass wir für eine Sache brennen können, ohne dabei auszubrennen. Wenn Du herausfinden möchtest, wie Du die Prinzipien von gesunder Leistung für Deine Arbeitsleben adaptieren kannst, dann könnte mein New Performance Programm genau das Richtige für Dich sein. Alle wesentlichen Infos zum Programm findest Du auf meiner Academy-Seite.